Sprachliche Gewalt, Teil 1

Achtung: Der folgende Text könnte Schmerzen verursachen!

Von Christian Nill.

Ein beliebiges Zitat aus der Tagespresse geht so: «“Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage“, so wirbt Proviande seit längerem kategorisch – und deklassiert damit alles Vegetarische mit roher Sprachgewalt zum Nebenprodukt.» (Tages-Anzeiger, 6.2.2011)

Erlauben Sie die Frage: Ist in diesem Claim von Proviande irgendwo Gewalt auszumachen? Gar rohe Gewalt? Wird da zum grausamen Töten von Unschuldslämmern aufgerufen? Werden Menschen aufgehetzt, angestachelt, zum Äussersten getrieben?

Nein, nicht im geringsten. Der Journalist, der dies schrieb, gefiel sich vielleicht einfach in seiner Rolle als Richter und Lenker. Diese Selbststilisierung zum ethisch korrekt handelnden Zeitgeist-Apologeten ist heute leider zu einem wild um sich greifenden Phänomen geworden. Sie kennen die Auswirkung: Wenn Politiker nicht mögen, was der Gegner sagt, dann verurteilt man heute den «schlechten Stil», «mangelnden Anstand» oder die «demütigenden, diskriminierenden Äusserungen». Schnell ist von Hetze die Rede, von Brandstiftertum und eben: verbaler Gewalt.

Was mich stört: Mit derartigen unbedachten Äusserungen wie eingangs erwähnt, trägt man dazu bei, dass echte, wirkliche verbale Gewalt nivelliert wird. Das ist, wie wenn man bei jedem mittleren Herbstwind von einem Jahrhundertsturm spräche – es wertet den wahren Sachverhalt ab.

Können Worte töten? Ich bezweifle es. Taten verletzen oder töten gar, Worte können höchstens psychisch verletzen. Aber nicht physisch. Als vor einiger Zeit der Schweizer Nationalrat Hans Fehr von Linksextremisten zusammengeschlagen wurde, verknüpften einige Radiomoderatoren diese Ungeheuerlichkeit mit der flapsigen Bemerkung, Parteistratege Christoph Blocher habe an der Parteitagung im Albisgüetli, zu der Fehr wollte, verbal um sich geschlagen und gegen alles, was ihm nicht passe, ausgeteilt.

Damit wurde implizit folgendes gesagt: «Der eine schlägt mit Worten um sich, die andern schlagen physisch zu – wo ist der Unterschied?». Das perfide an solchen Behauptungen ist, dass sie meistens unwidersprochen bleiben. Im Radio wellen sie schnell durch den Äther und sind schon wieder weg, in den Zeitungen hat man sich schon fast an diese permanenten Übertreibungen (sogenannte Zuspitzung) gewöhnt. Aber solche Aussagen schaffen ein Terrain, das letztendlich physische Gewalt verharmlost.

Und physische Tätlichkeiten sind alles andere als bloss Beilage – da gehts tatsächlich um rohe Gewalt. Achten wir darauf, dass wir diesen Unterschied auch verbal entsprechend verantwortungsbewusst zur Geltung bringen.

To be continued…


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