Von Sympathie-Marketing und Cervelat-Chips

Wie sich Terra Chips neues Terrain in der Gastronomie erobern

Von Christian Nill

Zürich, Februar 2009 – Der Kartoffelchips-Markt in der Schweiz ist gut gefüttert, aber nicht gesättigt. Höchste Zeit also, ins Marketing zu investieren. Damit die Migros-Marke Terra weiterhin sukzessive Boden gut macht. Auch dank innovativen Marketing-Ideen – und verrückten Chips-Geschmäckern.

«Mit Terra wollen wir so richtig Lärm machen!», sagt Reto Gnos, Topp-Marketing-Experte bei Bina. Dafür setzen wir auch Content-Marketing ein. Gnos ist Geschäftsbereichsleiter Culinarium der Bischofszell Nahrungsmittel AG (Bina).

Terra-Chips von der Migros-Tochter Bina: Hinter jedem Crunch steckt ganz viel Storytelling-Punch!

Terra-Chips von der Migros-Tochter Bina: Hinter jedem Crunch steckt ganz viel Storytelling-Punch!

Die Bina ist eines von 12 Industrieunternehmen der Migros-Gruppe, welche für den grössten Detailhändler der Schweiz vorwiegend Eigenmarken herstellen. Aber Terra ist keine Eigenmarke, sondern ein Amerikanischer Brand. Aber dazu später mehr. Reto Gnos ist verantwortlich für die Promotion. Vor kurzem stellte er eigens eine Brand-Managerin für Content-Marketing ein, welche «nur in Terra» denke. Erklärtes Ziel der Marketing-Strategie sei es, mit Terra die Gastronomie zu erobern. Wie viel Geld ins Marketing für die Terra Chips gesteckt wird, verrät Gnos nicht. Dafür dies: «Wir stecken Ideen und Kreativität hinein. Wir wollen einzigartig sein.»

 

Gutes Marketing: Kreativität wichtiger als Geld

Aber der Reihe nach. Das Marketing-Konzept für die Terra Chips zur Eroberung der hiesigen Gastronomie lässt sich so zusammenfassen: Empfehlungs-Marketing. «Wir wollen Sympathien gewinnen.» Und zwar zuallererst die Sympathie von denen, die in der Gastrobranche primär mit den Kartoffelchips zu tun haben werden: Köche, Barmaids, Hotelmanager, Zimmermädchen. Die Hotel- oder Restaurantgäste kommen erst danach. Logisch, denn die Entscheidung, ob ein Produkt eingesetzt wird oder nicht, fällt oft spontan und intuitiv – und lässt sich nicht immer empirisch begründen. Das weiss Gnos: «Kreativität ist wichtiger als ein Haufen Geld. Mit Geld kanns jeder.»

Also hat Gnos’ Team 30 Paletten voller Terra-Chips-Tüten bei ebenso vielen ausgewählten Vier- bis Fünf-Sterne Hotels vorbeigebracht. Heisst: Sie sind mit einem Camion ohne Voranmeldung vorgefahren, haben die verantwortliche Person verlangt, sich kurz vorgestellt, je eine Palette Chips inklusive eines Briefes abgegeben und sich wieder verabschiedet. Im Brief stand, wo sich die Chips überall einsetzen liessen: in der Minibar auf den Zimmern, als Menü-Beilage, für Bankette und Apéros oder an der Bar. Marketing ist Handarbeit.

Entscheidend war aber, dass möglichst viele Angestellte im Betrieb die Möglichkeit hatten, ein Beutel Kartoffelchips zu probieren. Sympathiebonus Nummer eins! Direkt gefolgt von Nummer zwei: Auf die Terra-Packung kommt ein Leporello mit einem Wettbewerb. Nicht besonders originell – vielleicht, aber als Marketing-Massnahme sehr effektiv. Denn zu gewinnen gibt es VIP-Packages für die Eishockey-WM, sowie 50 weitere Preise. Wenn das keine Sympathien schafft beim Personal! Und wenn das Personal zufrieden ist, ist es meistens auch der Chef. Und der entscheidet schliesslich.

Empfehlungs-Marketing wie bei RedBull

Es folgt Sympathiebonus Nummer drei: Das Empfehlungs-Marketing empfiehlt sich persönlich. Benötigt werden:

  • ein ĂĽberzeugendes Produkt
  • ein paar stilvoll gebrandete Autos
  • ein Dutzend sympathische Frauen

Niemand behauptet, dass Empfehlungsmarketing neu sei. Redbull hat beispielsweise mit seinem Musketier-Konzept vorgemacht, was Aussendienstmitarbeiter heute auch noch sein können: DJ, Partygänger, Event-Veranstalter. 1200 Musketiere weltweit sorgen für Redbull für den Zugang zur Gastronomie. Die Redbull-Minis mit der grossen Dose hintendrauf sind legendär.

 

Aufruf zum Casting fĂĽr die Chips-Botschafterinnen

Bina setzt beim dritten Sympathiebonus ganz auf den Trumpf Schönheit. Mitte Februar 2009 fand ein Casting statt, bei welchem sich schöne Frauen um den Job als Terra-Botschafterin, sogenannte Chipsies, streiten konnten. Aufgerufen zum Casting wurde auf Facebook. Und im März 2009 machte sich eine Reihe von Chipsies in ihren Terra-Autos auf dem Weg zu ausgesuchten Gastro- und Hotelbetrieben in der Schweiz. Kommen sie in ein Restaurant oder eine Hotelküche, darf sich der Küchenchef oder der Inhaber mit den Girls fotografieren lassen. Wer würde da nein sagen? Das Foto wird vom entzückten Küchenchef oder Inhaber signiert. Ausserdem nennt er einige Berufskollegen, die auch Interesse an den neuen Chips haben könnten. Dafür erhält er eine Ladung Terra-Tüten. Und, viel wichtiger, ein echtes Lächeln.

Empfehlungs-Marketing ist harte Arbeit

Dann zieht das schöne Chipsie-Girl mit Foto und einer Ladung Chips weiter zum nächsten möglichen Interessenten. Spricht ihn gleich per Du an, zeigt ihm das Bild von seinem Kollegen und hat unter Umständen bereits den nächsten Terra-Sympathisanten auf einem weiteren Foto verewigt. Proaktives Marketing hat auch viel mit Türklinken putzen zu tun. Reto Gnos: «Ein Aussendienstler hats normalerweise nur schon schwer, einen Termin beim Verantwortlichen zu erhalten, um seine Produkte präsentieren zu können.» Dank den Terra-Models würde ein direkter Zugang zu den Entscheidungsträgern ermöglicht. Sympathie inklusive.

 

Anderer Schnitt, weniger Fett, krasser Geschmack

Der Marketing-Mann Gnos weiss, dass diese Idee funktioniert: «Wir haben schon einmal so eine Aktion mit den Terra-Botschafterinnen gestartet. Es wollten sich alle mit den Chipsies fotografieren lassen…»

Die Sympathie nützt jedoch nichts, wenn die Gastronomie bzw. Hotellerie nicht auf das Produkt anspringt. Doch hier zeigen sich erste positive Ergebnisse: Das Seedamm-Plaza in Pfäffikon SZ hat die Terra Chips neu im Angebot. Und das Dolder Grand, Zürichs Exklusivhotel par excellence, führt die Edelchips-Marke ebenfalls seit kurzem. Empfehlungs-Marketing funktioniert.

Diese Erfolge haben einen Grund und der liegt im Produkt. Die Kartoffelchips von Terra sind dicker geschnitten und haben 50% weniger Fett als herkömmliche Chips. Und: Der Geschmack ist dennoch intensiv. Möglich macht dies ein einzigartiges Herstellungsverfahren, welches den Rohstoff schont.

Dieses Verfahren wurde von Dana Sinkler und Alex Dzieduszycki, zwei amerikanischen Sterneköchen, entwickelt. Die beiden hatten vor geraumer Zeit die Vision, für ihre verwöhnten Gäste einen Snack im Premium-Segment zu kreieren, welcher gesünder und geschmacklich authentischer ist. Also liessen sie die Kartoffeln in dickere Scheiben schneiden, als wären sie von Hand gemacht und reduzierten die Fettmenge bei der Kartoffelchips-Herstellung. Das Ergebnis machte Schule und die Terra Chips wurden ein Erfolg.

 

Eine Geschmacksvielfalt, die es in sich hat

Für die Schweiz konnte die Bischofszell Nahrungsmittel AG die Lizenzen exklusiv erwerben und seither ist das Land um eine Geschmacksvielfalt reicher. Wobei es diese Geschmacksvielfalt in sich hat. Bei der Bina setzt man voll auf neue Flavours. Neben den Klassikern Nature und Paprika kommen weitere Geschmacksrichtungen dazu: Honey-Dijon, Piemont (mit weissem Trüffel) und Wasabi. Kein asiatisch angehauchtes Produkt scheint zurzeit auf den unglaublich scharfen japanischen Meerrettich verzichten zu können. Und: Bei den Konsumenten kommen die Chips, die für Mini-Explosionen im Gaumen sorgen, gut an. Das weiss Reto Gnos: «Konsumentenbefragungen zeigen uns, was funktionieren könnte und was nicht. Letztlich bleibt allerdings immer ein nicht kalkulierbares Restrisiko im Spiel.»

Bei den Geschmacksrichtungen werde zurzeit an rund 30 verschiedenen Themen experimentiert. Welche davon Chancen haben, dereinst als Produkt im Laden oder auf der Bartheke zu landen, möchte der Marketingprofi nicht verraten. Nur so viel: Bei einem Geschmack, der noch diesen Sommer herauskommen wird, gehts ebenfalls in Richtung «spicy» und Fernost. Und noch ein neuer Taste wird im Sommer 2009 lanciert. Welcher das ist, bleibt geheim, aber die Farbe könnte ein intensives Gelb sein.

Schräge Geschmackskombinationen unterstützen das Marketing

Die Forschungsabteilung der Bischofszell Nahrungsmittel AG setzt ganz auf Gewürze und Farben. Bereits getestet wurden schräge Geschmäcker wie Cervelat-Chips und Salami-Chips. «Wir dachten Rösti und Speck funktioniert. Warum also nicht Kartoffeln mit Cervelat oder Salami kombinieren? Aber das Ergebnis entsprach nicht unsern Vorstellungen», lacht Gnos. Grundsätzlich sollten die Chips den Appetit anregen – vor allem den Appetit auf Flüssigkeit. Dann habe auch der Inhaber einer Bar etwas davon. In diesem Zusammenhang werde ebenfalls an neuen Geschmäckern herumprobiert: Was passt zu einem typischen Drink an der Bar? Zu einem Mojito ein paar Mojito-Chips? Zum Gin Tonic einige Wacholder-Chips? Oder zum Vodka pure Kartoffelchips? Vorteil von krassen Geschmackskombinationen: Sie lassen sich von der Marketing-Abteilung besonders gut bewerben.

Was sicher ist: Die Farben werden ebenfalls immer wichtiger. Mit den Blue Chips haben die findigen Bina-Kreateure einen Erfolg gelandet. Die Blue Chips von Terra haben einen besonderen Wert: Sie werden aus einer seltenen blauen Kartoffel hergestellt. 2008 kam u.a. die Blaue St. Galler zum Einsatz. Das Problem: Es gibt zu geringe Mengen davon. Und weil das Thema Swissness immer zieht, wurde auf den Blue-Chips-Packungen von Terra die Herkunftsbezeichnung Blaue St. Galler ausgelobt. Dazu Gnos: «Ende Januar 2009 waren die Blue Chips komplett ausverkauft – im Detailhandel. Für die Gastronomie reichte es hinten und vorne nicht mehr.»

 

Rosarote Chips – toll fürs Marketing. Aber gibt es einen Markt dafür?

Nun arbeite man daran, im Ausland grössere Mengen einer alternativen blauen Kartoffelsorte anzupflanzen, damit immer genĂĽgend Mengen vorhanden sind. Und: Die Bina experimentiert noch mit weiteren farbigen Kartoffeln. Bis eine neue Kartoffelsorte allerdings Marktreif sei, verstreichen zehn bis zwölf Jahre, schliesslich mĂĽsse sie einem aufwändigen Verarbeitungsprozess standhalten. Gnos: «Damit verbunden sind immer Produkt-Kontrollen, die ĂĽber die Qualität Auskunft geben. Ganz wichtig sind auch die Backtests. Dabei wird geprĂĽft, ob die Farben auch nach dem Frittieren noch stabil sind.» Aktuell werde an roten Kartoffeln geforscht. Da mĂĽsse man erst herausfinden, wie es anzustellen sei, dass am Ende nicht rosarote Chips herauskämen. Denn dafĂĽr gäbe es vermutlich keinen Markt… Aber das Marketing hätte dennoch seine Freude daran!

Gute Storys sind wie gute Chips: Sie haben Crunch!